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Der Sitz des Reiters formt das Pferd in der Bewegung

Dr. Thomas Ritter, Foto © Thomas und Shana Ritter

Dr. Thomas Ritter, Foto © Thomas und Shana Ritter

… von Dr. Thomas Ritter |

Auf den folgenden Seiten werde ich erklären, wie der Reiter den Gang und die Haltung des Pferdes formen kann, indem er entweder bestimmte Bewegungen des Pferderückens ermuntert und vermehrt herauslässt oder andere eher einschränkt. Dadurch wird es unter anderem möglich, die Rückenschwingung und das Untertreten der Hinterbeine zu verbessern, das Tempo zu beeinflussen, Unebenheiten im Bewegungsablauf zu glätten und vieles mehr. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass er über einen unabhängigen Sitz und ein gut entwickeltes Gefühl für Balance und Takt verfügt, um nuancierte Veränderungen in Gang und Haltung zu spüren und differenziert einwirken zu können.

Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beobachtung, dass das Pferd immer dazu neigt, mit seinem Körper offene Räume auszufüllen und Blockaden zu umgehen. Das hat für den Reiter sowohl Vorteile als auch Nachteile. Gibt der Reiter beispielsweise mit der Hand nach, dann folgt das Pferd der Hand, indem es den gewonnenen Platz ausfüllt und den Hals dehnt. Fällt der Reiter mit seinem Oberkörper nach vorn, werden die Gesäßknochen angehoben und das Pferd wird den freien Raum zwischen Reitergesäß und Sattel auszufüllen versuchen, indem es seine Kruppe nach oben drückt und die Hankengelenke streckt. So fällt es auf die Vorhand und wird steif. Blockaden im Pferdekörper oder Reiterkörper werden vom Energiestrom umgangen, indem das Pferd mit den Schultern oder den Hüften seitlich von der Hufschlaglinie abweicht. Blockiert der Reiter das Pferd beispielsweise mit einer festen oder rückwärtswirkenden rechten Hand, dann wird das Pferd – wenn es rechts hohl ist – mit der Schulter nach links ausweichen und schief werden. Das Genick und die Hüfte werden rechts steif und weichen der Einwirkung des Reiters aus, indem der Halsansatz sich verbiegt; der Hals ist deutlich stärker gebogen als der restliche Körper.

Ist das Pferd in diesem Beispiel links hohl und rechts steif, dann kann es passieren, dass die harte rechte Hand die Pferdeschulter nach rechts zieht und die Kruppe nach links ausweicht. Dann wird die rechte Seite des Pferdes vom Genick zum Hinterfuß hart wie Beton. Die Energie bahnt sich immer einen Weg durch den Kanal, den der Reiter mit seinem Gewicht, seinen Beinen und Händen herstellt. Ist der Kanal verstopft, weil der Reiter den Weg der Energie nach vorn blockiert, dann geht das Pferd, je nach Gebäude und Temperament, entweder rückwärts, oder die Energie bricht sich eine neue Bahn und das Pferd steigt, oder es explodiert, sprich: Es geht durch oder bockt.

Fühlen – Analysieren – Einwirken

Die Hauptaufgabe des Sitzes ist es, die Bewegungen des Pferdes zu fühlen, zu begleiten und zu dirigieren. Die Hinterhand sendet bei jedem Abschieben Energieimpulse aus, die wie eine Schockwelle von einem Wirbel zum nächsten bis zum Gebiss weitergeleitet werden und sich in bestimmten Schwingungen des Pferderückens äußern. Im Schritt fühlt der Reiter eine Vorwärts-rückwärts-Bewegung, eine Rechts-links-Bewegung und eine, wenn auch sehr feine, Aufwärtsabwärts-Bewegung. Im Trab fühlt man hauptsächlich die Aufwärts-abwärts-Bewegung; im Galopp spürt man eine Aufwärts-abwärts-Bewegung, eine Vorwärts-rückwärts-Bewegung und eine leichte Rechts-links-Bewegung.

Der Reiter passt sich zunächst diesen Bewegungen an und schwingt in seinen eigenen Hüften neutral geschmeidig mit. Dabei sollte er sich vornehmlich auf das Gefühl konzentrieren, das er durch seinen Sitz vom Pferderücken und der Hinterhand vermittelt bekommt – und weniger darauf, was die Hand in Hals und Maul fühlt, da die Anlehnung meist nur das reflektiert, was im gesamten Pferdekörper vor sich geht. Gleichzeitig sollte er sich von Anfang an angewöhnen, sich bewusst zu werden, wo sich die Pferdebeine gerade befinden. Auf dem Boden? In der Luft? In der richtigen Spur? Neben der Spur? Er analysiert die Qualität der Gangart, um festzustellen, welche Aspekte des Ganges gut und welche verbesserungswürdig sind. Zu den Aspekten, die ausgewertet werden, gehört die Einhaltung der Hufschlagfigur und ob die Schultern und Hüften von ihren Linien abweichen. Auch die Beurteilung und Justierung von Takt und Tempo sowie des Energieniveaus gehören dazu. Das Aufspüren von Steifheiten und falschen Knicks ist ebenfalls ein wichtiger Teil dieser Analyse. Das Erfühlen und Ausbalancieren von Schub- und Tragkraft gehören genauso dazu wie die Biegsamkeit der Wirbelsäule und die Beweglichkeit der Gliedmaßen.

Auszug aus dem Artikel „Der Sitz des Reiters formt das Pferd in der Bewegung“ von Dr. Thomas Ritter.
Lesen Sie den ganzen Artikel in „Feine Hilfen“ Ausgabe 1, März 2013.

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Category: Aktuelle Themen

Comments (2)

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  1. Elisabeth Kohl sagt:

    Sehr gut geschriebener Artikel. Aber sehr schwer umzusetzen, ich habe das Glück, mit Talent und Feinfühligkeit ausgestattet zu sein. Dadurch, das ich viel getanzt habe ( Ballett und Standarttänze ), dann vom voltigieren zum reiten gekommen bin, konnte ich auch spontan im Damensattel reiten. Doch ich habe selten gute Ausbilder getroffen, leider, also habe ich mir viel abgeguckt, bei den guten Reitern.

    • dani sagt:

      ich komme vom Tanz und der Reiterei gleichermassen, meine besten Lehrer waren die Pferde und meine innere Stimme. Harmonie ist das Ziel bei beidem, dem Tanz und dem Reiten, denn nur in Harmonie beginnt es zu fliessen, und zu dem zu werden, was zum Erfüllendsten zählt, das Gefühl hervorzubringen vermag.

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